Perpetual Delirium
Seit sich die vier Saxofonisten Beat Hofstetter, Sascha Armbruster, Andrea Formenti sowie Beat Kappeler 1995 zum Arte Quartett zusammenschlossen, haben sie sich zu einer Art vierköpfigen musikalischen Person entwickelt und eine einzigartige Stellung zwischen zeitgenössischer Klassik und Jazz eingenommen, vergleichbar vielleicht mit dem Kronos Quartett bei den Streichern. Von Anfang an loteten die vier vorzugsweise die stilistischen Grenzbereiche aus und arbeiteten dafür eng mit gleichgesinnten Komponisten zusammen, unter ihnen Urs Leimgruber, Terry Riley, Michael Riessler, Lucas Niggli, Tim Berne, Fred Frith und zuletzt Pierre Favre. In diese eindrucksvolle Reihe tritt nun der 37-jährige Sänger, Komponist, Bandleader und Mitgründer der Berner Jazzwerkstatt Andreas Schaerer. Wobei schon die Bezeichnung „Sänger“ bei ihm viel zu kurz greift; Schaerer ist ein Gesangsakrobat, wie es ihn so in der internationalen Jazzszene noch nicht gab. Von der Opernkoloratur über Crooner-Gesang bis zu wildem Scatten, vom Sprechgesang über jede Art von Geräusch oder Lautmalerei bis zum Beat-Boxing - es gibt so gut wie nichts, was er nicht beherrschen und in seine Kompositionen oder Improvisationen einbeziehen würde. Fast ein Jahr lang hat Schaerer für die Auftragskomposition „Perpetual Delirium“ die Charakteristika der Instrumente und die individuelle Spielweise der Musiker des Arte Quartetts genau studiert und den ihm zugestandenen Freiraum ganz im Sinne der vier Saxofonisten zu einem Dialog genutzt. Meisterhaft versteht er es, die konkurrenzlose Bandbreite seiner Vokalisen mit dem kaum weniger bunten Spektrum der vier Saxofone zu vereinen. Und ebenso kunstvoll wird die halbe Musikgeschichte angerufen, befragt und zu einem eigenen Klangkosmos geformt. Ob gregorianische Choräle anklingen, atonale Passagen an Ligeti oder serielle Muster an Ives erinnern wie beim Titelstück, ob barocke Kontrapunkte und verschränkte Fugenthemen um die Ecke schauen, dramatischer Operngestus („Artediem“) und klassische Romantik, ob sich zu bluesigem Scat soulige Bläsersätze und freie Improvisationen gesellen und zu alpinen Klängen karibische Rhythmen („UGG“), ob Schaerer zu schneidenden Bläser-Riffs sein komplettes Stimmorchester anwirft („Zirzensisches Mittelstueck“) oder ganz hinter süd- und fernöstliche Arabesken zurücktritt („Sampfampfe“) - stets halten virtuose rhythmische und dynamische Strukturen das Schiff auf Kurs, runden sich alle Überraschungen zu einem Bogen, zu einer Geschichte. Nicht unterschlagen darf man dabei den Anteil des groove- und improvisationserprobten Bassisten Wolfgang Zwiauer.