Leipzig Is Calling You
Leipzig war immer ein heißes Pflaster. Erst recht, als in der agonierenden DDR der Geist des Aufruhrs hier zu Hause war. Das Gemisch aus ostdeutscher Provinzialität und der Internationalität einer Messestadt war hoch spannend und ziemlich explosiv. Das spiegelte sich auch in der hiesige Popszene wider. Während jene, die darauf hofften, beim einzigen DDR-Poplabel AMIGA Gehör zu finden, irgendwann in der Hauptstadt landeten, blieben die Unangepassten gerne südlich des Bockwurstäquators. Bands wie „Wutanfall“, „Die Art“, oder „Messer Banzani“ rockten die Hinterhöfe besetzter Häuser, die es offiziell nicht gab. In Leipzig wurde ein Gutteil des Soundtracks zum Umbruch geschrieben. Kein Wunder, dass sich nach dem Fall von Mauern und Restriktionen sofort eine unglaublich reiche Popszene Bahn brach. Die Stadt hatte mit den Prinzen nicht nur die ersten gesamtdeutschen ostelbischen Popstars, Songs wie „I LoveYou (Marian)“ oder „Peace Is Wonder“ konnte zu Beginn der 90er jeder im Osten mitsingen. Heavenly Voices als Stilistik wurden hier für dieses Land etabliert, Think About Mutation zelebrierten ein zukunftsträchtiges Crossover aus Metal und Techno, lange bevor andere damit reich wurden. Es gab Reggae, Rap und Hardcore auf internationalem Niveau, als das sonst im Lande noch längst nicht salonfähig war. Die Stadt wurde zum Mekka der weltweiten Gothic-Bewegung und war Heimstatt hoch spannender Diskurs-Projekte wie der alternativen Messe Pop-Up! Die urbane Club-Elektronik fand hier eine Kontinuität in international anerkannten Clubs, landesweite Beachtung fand die Debatte über Pop in seiner politischen Verantwortung, die vor allem im Leipziger Süden geführt wurde. Insgesamt wurde und wird die Stadt ob ihrer subkulturellen Clublandschaft, in der nahezu alle Stilistiken ihren Platz haben, beneidet. Doch der Traum vom zählbaren nationalen oder gar internationalen Erfolg blieb für Leipzigs Pop-Helden ein solcher. Bei allen hoffnungsvollen Ansätzen fand sich schließlich immer das Körnchen Sand im Getriebe des Vermarktungsmechanismus: Die Szene der Stadt hat eine große Zahl an Hits hervorgebracht, die am Ende keine wurden. 25 Jahre nach jenem denkwürdigen Montag, an dem die Leipziger einmal um ihre schöne Innenstadt liefen und sich damit ganz vorn in einen Prozess einreihten, an dessen Ende das Land, der Kontinent und die Welt völlig andere waren, soll der enorme Schatz des Messestadt-Pop gehoben werden. 25 Lieder aus 25 Jahren sind längst nicht alle, die das verdient haben, aber sie zeigen das beeindruckende popkreative Potenzial dieser Stadt.