136 Tales
„Es ereignet sich nichts Neues. Es sind immer die selben alten Geschichten, die von immer neuen Menschen erlebt werden“, soll der amerikanische Schriftsteller William Faulkner einmal gesagt haben. Auch die 5 beziehungsweise 136 Geschichten von Tim Vitás und Oliver Gehrmanns gemeinsamer Debüt-EP auf dem Freude-am-Tanzen-Schwesterlabel FAT-zig erzählen House nicht neu - aber durch das vielschichtige Kaleidoskop zwei junger Produzenten auf die frischeste wie unbefangenste Art und Weise seit langer Zeit. Es sind Geschichten, die an die Wurzeln von House erinnern, die tief im Funk und Soul vergraben liegen. Als Disco Schritt um Schritt den Weg vom Song zum Track bereitete und die Spiegelkugeln über den Tanzflächen von Studio 54, Paradise Garage oder Warehouse noch im hellsten Clublicht schimmerten. Ohne in die Retrofalle zu tappen, erforschen Vitá und Gehrmann diese Ära neu und setzen der großen alten Mutter House ein Ehrenmal samt kickend zeitgemäßem Feinschliff. Vitá und Gehrmann genügt kein minimaler Beat, ein paar Brocken Percussion und schlichte Chords, die uns als Gesamtpaket auf viel zu vielen Veröffentlichungen leider immer wieder als House verkauft werden. Die beiden jungen Herren wollen mehr, mehr von allem: Vocals, Samplewahnsinn, Schlenker in fremdes Gebiet, komplexe Rhythmen. Die ganz großen Gefühle sowie die Magie der Nacht und frühen Morgenstunden. Und immer wieder Euphorie! Diese Musik ist noch lange nicht in die Jahre gekommen und wartet noch auf etliche weitere spannende Geschichten. So wie die von Tim Vitá und Oliver Gehrmann. No Fool Ein unwiderstehlich geschmeidiger Housebeat schält sich Takt um Takt aus den Filtern und bereitet den Weg für smoothe Chords, funky Shaker und einen schmachtenden Crooner. Wir stimmen kopfnickend mit ein: Sometimes we feel like … Yeeeah! The Fourth Cake Einen Gang zurück schaltet „The Fourth Cake“, lässt die Ausfahrt Richtung Tanzfläche rechts liegen, fährt mit seinem subtil lieblichen Gesang dafür aber direkt ins Herz. Ein geschichtsbewusster Track ohne zu langen Blick in den Rückspiegel, der die Deep-House-Klaviatur perfekt zu spielen weiß. Claps N Snaps Mit “Claps N Snaps” grüßen Vitá und Gehrmann erneut die Funk-Helden, rollen den roten Teppich aus und zeigen ihnen, was sie gelernt haben. In seiner unruhigen Großartigkeit trifft der Track beängstigend genau die goldene Schnittmenge zwischen Parliament-Reminiszenz, Disco-Edit und purem House-Groove. Hold Me Tight Auch „Hold Me Tight“ lotet das Spektrum von House neu aus. Heraus kommt eine sorgfältig zusammengestellte Mischung aus Song und Track, Emotion und Abfahrt und nicht zuletzt einem großen Schuss Sexyness. Und dann auch noch dieses Killerpiano! Ich geh auf die Knie und danach schnurstracks Richtung Tanzfläche. I've Got A New World Als Abschluss einer ohnehin schon runden EP ziehe Vitá und Gehrmann ihr vielleicht größtes Ass aus dem Ärmel. „I’ve Got A New World“ ist die Hymne, die morgens um neun noch mal jeden Dancefloor wachkitzeln kann und dank der bittersüßen Vocals und dem Wonnegefühl erzeugendem Piano wohl jedem letzte Energien in die Beine und eine Träne ins Knopfloch treiben dürfte.