King in the Mirror
Das muss sie sein: Anna F.. Toll sieht sie aus, wie sie mit wehendem Haar auf ihrem Second-Hand-Fahrrad heranrauscht. Treffpunkt ist ein Park in Berlin, das Wetter könnte kaum besser sein. Man merkt sofort, dass sie einer dieser seltenen Menschen ist, die man unmöglich nicht mögen kann. Mit ihrer angenehm unaufgesetzten Art nimmt Anna einen sofort für sich ein und lässt jeden Augenblick durch ihre bloße Präsenz wertvoll erscheinen, ohne sich dafür auch nur ansatzweise anstrengen zu müssen. Wenn sie es von einem verlangte, man würde ihr ohne zu zögern seine zerbrechliche Seele anvertrauen. Aber das würde sie natürlich nie tun. An Seele und Zerbrechlichkeit hat sie schließlich selbst genug. Das ist auf ihrem neuen Album King in the Mirror ganz unmissverständlich herauszuhören. Man nehme nur mal das verträumt ehrliche Too Far, in dem Anna sehnsuchtsvoll den immerwährenden Kampf im Zeichen der Liebe besingt. Oder das zurückgelehnt treibende Van Gogh über all die gelebten Parallelwelten im Kopf zwischen Angstneurosen und überbordendem Selbstbewusstsein. Oder den Titelsong King in the Mirror, den Anna zusammen mit dem ehemaligen EMF-Gitarristen Ian Dench geschrieben hat, und in dem sie das Gefühl der Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung mit voluminöser Reduziertheit auf den Punkt bringt. Überhaupt geht es auf der Platte häufig um die Dualität der Dinge: um Wahrheit und Fiktion, um Liebe und Hass, um Gestern und Morgen, um Angst und Mut, um sich selbst und um andere. Und darum, wie Anna F. all diese Gegensätze in sich vereint und mit King in the Mirror eine Platte aus diesem Umstand formt, der diesen Kontrast hörbar, spürbar, nachvollziehbar macht; wie sie den waghalsigen Weg zu sich selbst mit musikalischer Vielseitigkeit bestreitet, durch die sie ihre Zuhörer an die Hand nimmt und auffordert, ihr zu folgen; und zwar unbekümmert, unvoreingenommen und ohne Angst. "King in the Mirror, Queen Of The Shy” – Anna F. hat es auf ihrem neuen Album geschafft, die Gegensätzlichkeiten des Lebens hörbar, sichtbar und fühlbar zu machen; ihren persönlichen Geschichten eine Relevanz zu verleihen, die sie auch für jeden anderen nachvollziehbar macht; und ihrer musikalischen Vision ein Gesicht zu verleihen, das so schön und geheimnisvoll und ausdrucksstark ist wie ihr eigenes. Mindestens.